Nordtangente für Papenburg?
Argumente gegen den Bau einer nördlichen Umgehungsstraße
Nach bisherigen Vorstellungen der Stadt Papenburg soll in naher Zukunft eine Umgehungsstraße von der Umländerwiek über die Erste Wiek und die Flachsmeerstraße hinweg, an der nördlichen Stadtgrenze entlang, bis zum Anschluss Osterkanal / Bundesstraße 70 gebaut werden. Laut Generalverkehrsplan könnte diese Straße als Umgehung eine mögliche Entlastungsfunktion übernehmen.
Die BSH wendet sich seit Jahren in Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative Nordtangente gegen den Bau dieser Trasse und zeigt Alternativen auf. Hinsichtlich der geplanten Straßenführung sowie der Ausgleichsmaßnahmen werden Verbesserungsvorschläge gemacht. Die Verhinderung der so genannten Nordtangente ist jedoch vorrangiges Ziel der Bemühungen.
Die Nordtangente ist aus verkehrlichen Gründen abzulehnen. Sie würde den Straßenverkehr vom Obenende in den Nordwesten Papenburgs leiten. Dort staut er sich dann erst einmal an einem dort entstehenden Kreisverkehr bei der Bäckerei Schnieders, wälzt sich quer durchs Untenende um dann dort anzukommen, wo er hin will, nämlich in die Bereiche Emscenter, Hauptkanal und Industriegebiet Süd: dies ist lediglich eine Verlagerung von Verkehrsströmen, die nur erneut mehr Autos an anderer Stelle (hier Untenende) bedeutet. Wenn durch eine Umgehung der Splitting entlastet werden soll, würde das wiederum zu Lasten der Umländerwiek geschehen! Die Stadt spielt auf Zeit und behauptet, eine Anbindung der Umländerwiek wird nicht kommen. In Wirklichkeit sind die Weichen durch die Trassenplanung Erste Wiek und Umländerwiek schon gelegt. Eine Straßenführung in der bislang geplanten Form erfüllt nicht die Funktion einer Umgehungsstraße, da weder die Umländerwiek noch der ohnehin schon überbeanspruchte Kreuzungsbereich Hauptstraße / Friesenstraße den zu erwartenden Verkehr aufnehmen können. Der Anschluss an die B70 ist technisch und wirtschaftlich nicht zu verwirklichen; eine Weiterführung zur Autobahn gar, ist nicht möglich. Über eine Papenburger Umgehung muss in Zusammenhang mit der Rheiderlandstraße (K158) nachgedacht werden. Eine zusätzliche Erschließungsstraße für das nördlich des Oster- und Mittelkanals entstehende Baugebiet ist nicht notwendig. Es reicht aus, wenn der Verkehr in südliche Richtung über Stichstraßen abfließt. Eine Ringstraße wäre eine mögliche Alternative. Die erhoffte Entlastung des Osterkanals/Mittelkanals ist nicht zu erwarten. Der Bau einer weiteren Straße hat im Gegenteil den Effekt, nur noch mehr Verkehr anzuziehen (z. B. LKW). Die meisten Verkehrsteilnehmer wollen in Richtung Innenstadt, und das ohne Umweg über eine nördliche Tangente.
Die geplante Trassenführung lässt nicht genügend Raum für dringend notwendige Schutzmaßnahmen: ein Schutzwall für die Bewohner des neuen Baugebietes ist vorgesehen; die alteingesessenen ostfriesischen Nachbarn werden ignoriert. Durch den einseitigen Wall auf südlicher Seite wird Lärm- und Abgasbelastung für die Westoverledinger zusätzlich um ein Vielfaches erhöht. Die Trassenführung muss weiter südlich von der Grenzlinie verlaufen, um Schutzmaßnahmen errichten zu können. Gleichzeitig würde durch eine solche Verschiebung der wertvolle Baum- und Buschbestand geschont (67 Eichen im Alter von mind. 50 bis 100 Jahren etc.). Die jetzige Trassenführung durch den nördlichen Teil des Waldes „Weinberg“ zerstört gerade den wertvollsten Teil, einen uralten Eichenbestand, der sich zu großen Teilen auf einer Wallhecke befindet. Die derzeitige Straßenführung ist also aus naturschutzrechtlichen Gründen abzulehnen, da der oberste Grundsatz beim Bau einer Straße, der immer einen Eingriff in Natur und Landschaft bedeutet, der der Vermeidung ist. Der § 8 Nds. Naturschutzgesetz beinhaltet die Vermeidung unnötiger Beeinträchtigungen bei einem Eingriffsvorhaben als das wichtigste Anliegen der Eingriffsregelung. Sie steht daher als Leitgedanke über sämtlichen Planungsüberlegungen des Verursachers.
Überhaupt nicht erwähnt wird in den Planungsunterlagen die 8,5 ha Kompensationsfläche für die Anlage des Baugebietes Mittel- und Osterkanal, die durch die nahe Trassenführung der Nordtangente erheblich beeinträchtigt wird. Der gesamte Bereich ist ursprünglich als Wiesen- und Weidefläche vor allem für den Wiesenvogelschutz konzipiert. Dieser Ausgleich ist an dieser Stelle nicht zu erreichen, da die Fläche sich durchgängig innerhalb der 200 m Störzone befindet, so das es hier zu keiner Brutaufnahme durch Kiebitz, Brachvogel u. a. kommen wird.
Um den gesamten Bereich trotzdem für die Natur zu erhalten, könnte hier eine neue Biotopkonzeption geplant werden in Form einer Anpflanzung eines standortgerechten Waldes mit passenden Feucht- und Sumpfzonen sowie Teichen. Der dann anfallende Aushub ließe sich hervorragend für eine Aufhöhung des Geländes in der Nähe zur Straße nutzen, die die zu erwartenden Lärm- und Schadstoffemissionen eingrenzen könnten. Diese dann 8,5 ha große Waldfläche würde sich hervorragend zu dem alten Laubmischwald im Norden der Weinberge ergänzen.
In diesem Zusammenhang muss man auch die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen für die geplante Straße sehen, eine 2,8 ha große Fläche, die als Biotop für Wiesenvögel entwickelt werden soll. Rund um dieses Gebiet befindet sich heute ein Busch- und Baumbestand. Die Fläche ist jedoch viel zu klein, um Wiesenbrutvögeln einen neuen Lebensraum zu bieten. Außerdem stören die Lärm- und Schadstoffemissionen der nahen Straße, die keine 200 m von der Fläche entfernt liegt. Auch hier lässt sich ein ähnliches Konzept entwickeln, wie bei der vorher genannten 8,5 ha Ausgleichsfläche für das Baugebiet, nämlich ein Gemisch von Feucht-, Sumpf- und Teichzonen mit Waldbesatz, die hier in der Nähe der Straße noch am ehesten eine Ausgleichsfunktion übernehmen kann.
Fast ohne Bedeutung für die Natur sind die so genannten Ausgleichsmaßnahmen direkt entlang der Straße. Anpflanzungen von Büschen und Bäumen an der Straße haben nur eine landschaftsprägende Funktion, aber keine ökologische. Insofern ist auch die Anlage eines Kleingewässers neben der Straße im Rahmen eines Rückhaltebeckens als sinnlos anzusehen. Amphibien, Libellen, Schmetterlinge u. ä. werden vom starken Verkehr sofort wieder vernichtet. Solch ein Kleingewässer ließe sich sinnvoller in einiger Entfernung zur Straße anlegen.
Die Forderung nach weiterem Straßenbau fördert krankmachende Entwicklungen (Gesundheitsgefährdung durch Emissionen, Lärm, Unfälle etc.) die durch eine weitere Unterstützung des Individualverkehrs provoziert werden! Vorausschauende Verkehrspolitik sollte die Vermeidung von überflüssigem Autoverkehr erkennen lassen. Stattdessen werden Vorschläge gemacht, die das Ziel haben, den Verkehr lediglich zu verlagern und damit anderen die negativen Folgen zuschieben.
Wir dürfen die Augen vor den Folgewirkungen eines anwachsenden Straßenverkehrs nicht verschließen. Verantwortungsbewusste Planung muss Rahmenbedingungen für den ÖPNV schaffen. Das Modell Lemgo könnte eine Lösung bieten. Diese Stadt, in der Größe vergleichbar mit Papenburg, hatte früher ein ähnlich unattraktives Bussystem wie mit seinen extrem niedrigen Fahrgastzahlen. Mit einer intelligenten, modernen Planung werden heute in Lemgo 1 Millionen Personen im Jahr befördert. Der Straßenverkehr ist dort stark zurückgegangen.
Wir brauchen keine Nordtangente, wir brauchen kreative Politiker, die den Umweltschutz und damit Lebensqualität als Bestandteil der Verkehrspolitik sehen anstatt eine immer weitere Zerstörung und Versiegelung von schützenswerter Natur und Landschaft in Kauf zu nehmen. Ansätze ökonomisch und ökologisch sinnvoller Nahverkehrskonzepte gibt es genug. Man muss nur die Augen dafür öffnen.